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Gespräch mit Bürgermeister Matthias Bäcker nach 100 Tagen im Neuffener Rathaus

Herr Bäcker, Sie sind jetzt seit 100 Tagen im Amt. Wie haben Sie sich eingelebt?
Das Einleben hat man mir sehr leicht gemacht. In der Verwaltung ging es gleich von Anfang an sehr gut. Ich bin hier offen aufgenommen worden und habe von meinem Vorgänger Wolfgang Schmidt ein sehr gut bestelltes Haus übernommen. Mit meinen beiden Amtsleitern Albrecht Klingler und Jörg Stuhlmüller habe ich die besten Fachleute zur Seite. Aber auch meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind ebenfalls hervorragend qualifiziert.

Das ist der berufliche Aspekt, wie sieht es mit den Neuffenern aus?
Von den Bürgern fühle ich mich auch bestens aufgenommen und werde überall freundlich begrüßt. Ich war viel unterwegs im ersten Vierteljahr, bis auf vier oder fünf Abende war ich praktisch immer bei Veranstaltungen und Sitzungen, was ich aber nicht als Last, sondern als Lust empfunden habe. Zum Jahresbeginn finden ja traditionell die Hauptversammlungen der Vereine statt. Das bietet mir die beste Gelegenheit, mit den Vereinen in Kontakt zu kommen. Und deshalb nehme ich auch sehr gerne alle Einladungen wahr, sofern keine anderen Termine entgegen stehen. Schließlich ist ja praktisch jeder Neuffener in mindestens einem Verein vertreten und so hat man einen Großteil der Bevölkerung mit am Tisch. Ein so reges Vereinsleben kenne ich aus meiner alten Heimat Otterberg nicht.

Was ist der Unterschied zwischen ihrer alten Heimat in Rheinland-Pfalz und dem Täle?
Die Mentalität der Pfälzer und der Schwaben geht nicht so furchtbar weit auseinander und die Sprache auch nicht. Ich habe jedenfalls keine Verständigungsprobleme. Den einen oder anderen schwäbischen Begriff habe ich mir auch schon angeeignet. Der vielleicht größte Unterschied in der Arbeit ist die Ratstätigkeit. Hier tagt der Gemeinderat einmal im Monat und alles was die Stadt betrifft, wird dort beraten. Dabei wird auch ausführlich diskutiert. Das macht die Gemeinderatssitzungen natürlich auch für die Öffentlichkeit viel interessanter. In Otterberg hat der Stadtrat maximal fünfmal im Jahr getagt. Die meisten Entscheidungen fielen in den Ausschüssen.

Sie haben auch Dinge im Rathaus geändert. Am auffälligsten ist wohl die Einrichtung eines Bürgerbüros. Wie wird es angenommen?
Auffällig ist aber auch das neue Wegweisersystem, das etwas zeitgemäßer gestaltet ist, als das ursprüngliche. Und ebenfalls eingerichtet habe ich im Zusammenwirken insbesondere mit meinen Mitarbeiterinnen nun einen Wartebereich, der auch Sitzmöglichkeiten bietet und von der Ausgestaltung in jeglicher Hinsicht ein kundenfreundliches Bild darbietet. Aber auf das Bürgerbüro zurück zu kommen. Ein solches gab es in der Tat noch nicht, wie es auch noch kein EC-Kartengerät für den bargeldlosen Zahlungsverkehr gab. Beides wird sehr gut angenommen. 90 Prozent aller Berhördengänge der Neuffener können nun im Bürgerbüro abgearbeitet werden. Es gibt natürlich auch Einschränkungen. Bei komplexeren Fällen, wie z. B. Grundsteuerangelenheiten, Abwassergebühren oder Baurechtsangelegenheiten müssen die Bürger direkt zum Sachbearbeiter, was ja auch Sinn macht. Letztendlich haben wir auch die Öffnungszeiten am Dienstleistungs-Donnerstag etwas kundenfreundlicher gestaltet. Seit April ist die Verwaltung morgens schon ab 7.30 Uhr geöffnet und bleibt geöffnet bis 12.30 Uhr. Damit wollen wir insbesondere den Halbtagskräften in der Bevölkerung die Möglichkeit bieten, vielleicht nach Feierabend um die Mittagszeit noch zu uns kommen zu können. Und das frühere Öffnen des Morgens soll für Alle die Gelegenheit bieten, schon vor ihrem Arbeitsbeginn aufs Bürgermeisteramt gehen zu können. Und ein weiterer Punkt sind die Geschenke für die Altersjubilare. Hier haben wir im Januar Wertgutscheine eingeführt, die bei den örtlichen Dienstleistern und Geschäften eingelöst werden können. Diese Idee schreibe ich jedoch nicht auf meine Fahne. Sie kam von meinen Mitarbeiterinnen auf meinem Stockwerk und wird sowohl bei den Jubilaren wie auch bei den örtlichen Geschäften sehr gut aufgenommen.

Das Bürgerbüro stand ja in ihrem Wahlprogramm. Darin warben Sie außerdem für eine Spielleitplanung, den Ausbau von Solarenergie und die Tourismusförderung. Was davon haben Sie schon in Angriff genommen?
Die Spielleitleitplanung wurde in der Januarsitzung des Gemeinderats einstimmig beschlossen. Das Konzept, das eine Stadt kinderfreundlicher gestalten soll, habe ich aus Rheinland-Pfalz mitgebracht. Es gibt es in Baden-Württemberg bislang noch nicht und hat für positiven Wirbel gesorgt. Kürzlich habe ich dem Staatsanzeiger für die Staatszeitung ein Interview geben dürfen, weil das Thema auch viele andere Gemeinde interessieren könnte. Da sind wir landesweit Vorreiter. Jetzt muss man das Konzept mit Leben füllen, deshalb bemühen wir uns um Zuschüsse. Weil es so was bisher hier nicht gab, müssen wir mal abwarten, wie die neue Regierung dieses Thema angeht. Unabhängig davon wollen wir als nächstes in Neuffen mit einem Arbeitskreis, in den der Familienbeirat, die Kindergärten, die Grundschule und die Fördervereine dieser Einrichtungen eingebunden sind, eine Bestandsaufnahme machen. Dazu gehören auch Streifzüge durch die Stadt, weshalb das ganze Programm doch einen gewissen Zeitraum in Anspruch nehmen wird. Aber wenn ich was mache, will ich auch anständige Ergebnisse erzielen und deshalb nichts übers Knie abbrechen und keinen Zeitdruck aufbauen.

Nicht ganz soviel Zeit wollen Sie sich mit den Solaranlagen auf öffentlichen Gebäuden lassen. Kürzlich sagten Sie, dass diese spätestens im Juli am Netz sein sollen.
Die Stadtwerke haben den Auftrag, die Gebäude auf ihre Eignung hin zu untersuchen. Das ist im März erfolgt und mittlerweile ist alles durchgerechnet. Jetzt geht es an die Ausschreibung. Zum 1. Juli hat die Bundesregierung angedacht, die Einspeisevergütung für Solaranlagen weiter zu senken. Deshalb war es mir auch wichtig, das Thema gleich in meine erste Gemeinderatssitzung Ende Januar zu bringen. Die Stadtwerke haben mir zugesagt, dass bis Juli die Gebäude, die sich wirtschaftlich rechnen und von den technischen Vorgaben her umsetzen lassen, auch mit den Solaranlagen bestückt sein werden. Die Stadt wird die Dachflächen an die Stadtwerke vermieten. Die Einspeisevergütung geht dann wiederum an die Stadtwerke. Dadurch bleiben die Einnahmen in Neuffen.

Dritter großer Punkt auf Ihrer Wahlkampfliste war die Tourismusförderung. Eine Kneippanlage und ein Wohnmobilstellplatz sind beschlossene Sache. Was haben sie noch geplant?
Kneippanlage und Wohnmobilstellplatz hatte ich in meinem Wahlprogramm gar nicht vorgesehen, das hat sich erst hier vor Ort ergeben. Ich habe in Otterberg vor zehn Jahren auch eine Kneippanlage gebaut, die wurde hervorragend angenommen. Bei einem Spaziergang durch die Neuffener Weinberge ist mir dann die vorhandene Wasserstaffel aufgefallen und so wurde die Idee geboren, die zu nutzen und eine Kneippanlage anzugehen. Die Idee mit dem Wohnmobilstellplatz hingegen kam mir bei einem Ausflug nach Bad Urach. Wir wollen jetzt die Fördermöglichkeiten prüfen. Wenn es kein Geld gibt, kommt er eben in kleiner Form ohne Versorgungsstation. Ich habe auch schon mal daran gedacht, einen Barfußpfad anzugehen. Weiterhin könnte man auch im Biosphärengebiet mehrtägige Radwandertouren mit Gepäckservice anbieten. Gemeinsam mit den Nachbargemeinden möchte ich touristische Angebote erarbeiten. Die Burgen Hohenneuffen und Teck sowie der Jusi bieten sich für Wanderungen an. Der Wohnmobilstellplatz rundet da das Angebot für Kurzurlauber ab. Sie sehen, an Ideen mangelt es mir nicht. Wir müssen für den Tourismus werben. Das bedeutet Prospekte zu drucken und sich auf Messen zu präsentieren. Eine einzelne Gemeinde alleine kann dies vielleicht nicht stemmen, aber zusammen mit den Nachbarn könnte das alles machbar sein. Am Ende könnte vielleicht ja eine gemeinsame Tourismusfachkraft stehen, die die Tourismusangebote professionell koordiniert.

Es gibt ja auch ein anderes Projekte, wie den dritten Abschnitt der Stadtkernsanierung.
Bei der Stadtkernsanierung möchten wir gemeinsam mit unserem Planungsträger ein paar Entwürfe entwickeln, die eine Diskussionsgrundlage bilden, um noch vor den Sommerferien die Weichen im Gemeinderat stellen zu können.

Sie haben im Wahlkampf für eine bürgerorientierte Kommune geworben. Wie stellen Sie sich die Bürgerbeteiligung denn in Neuffen vor?
Nehmen wir doch gerade das eben besprochene Beispiel der Stadtkernsanierung. Es hat da keinen Wert, dass ich in die Stadthalle gehe und die Bürger frage: „Wie hätten Sie’s denn gern?“ Für die Bürgerbeteiligung braucht man ein Konzept und verschiedene Varianten. Die müssen wir in einer Bürgerversammlung vorstellen und diskutieren. Diese Art der Bürgerbeteiligung habe ich aber auch dann vor, wenn das Gesetz sie nicht zwingend vorschreibt. An den Bürgern vorbei zu planen ist kontraproduktiv, sowohl bei kleinen Maßnahmen, besonders jedoch, wenn es um große Projekte geht. Diese Auffassung hatte ich aber auch schon vor dem Streit um Stuttgart 21 und in meiner alten Heimat als Bauamtsleiter mit Erfolg so gehandhabt.

In Kappishäusern steht ein wichtiger Punkt an: die Anbindung des Neuffer Ortsteils an das Breitbandinternet. Was tun sie dafür?
Das Angebot der Telekom lag über dem Betrag, für den es Fördergelder vom Land gibt. Jetzt hat sich ergeben, dass zwischen Kohlberg und Kappishäusern die Straße saniert wird. Bei dieser Gelegenheit wird nun ein Leerrohr verlegt, durch den mögliche Netzanbieter Kabel verlegen können. Dadurch wird es für Bieter nun günstiger Kappis anzubinden. Wenn das Leerrohr liegt haben wir die technischen Voraussetzungen für einen Anschluss geschaffen und gehen dann in die nächste Bieterrunde. Ich bin guter Dinge, dass wir bis zum kommenden Jahr den Ort an das Breitbandnetz anschließen können.

Im April will der Gemeinderat erneut über die Einrichtung einer Werkrealschule in Neuffen beraten.
Die Voraussetzungen haben sich gelockert, Einzügigkeit reicht jetzt neben anderen Vorgaben aus. Das war auch der Grund, warum das Thema wieder auf die Tagesordnung kommt. Ich sehe hier die Chance, gemeinsam im Hauptschulverband mit Kohlberg und Beuren die Werkrealschule zu realisieren. Auch diese Kinder besuchen in Neuffen die Hauptschule. Es ist ein guter Ansatz, um den Schulstandort Neuffen zu stärken. Wenn die neue Landesregierung dieses System allerdings abschaffen sollte, dann haben wir das nicht in der Hand. Ich möchte aber nicht, dass dem Neuffener Gemeinderat und mir aus der Bevölkerung vorgeworfen wird, wir hätten was versäumt.

Was sind Ihre weiteren Pläne?
Als ich herkam, hat mich mein Standesamt angesprochen, es sei mehrfach der Wunsch geäußert worden, auf der Burg Hohenneuffen standesamtlich zu heiraten. Grundsätzlich ist es so, dass Trauungen nur in den Räumen des Rathauses stattfinden dürfen. Wenn man das Rathaus verlassen will, muss man auf der Gemarkung bleiben und es sich genehmigen lassen. Diese Genehmigung haben wir beantragt. Sie liegt allerdings noch nicht vor. Die Burg liegt zwar auf Neuffener Gebiet, gehört aber dem Land. Hochzeiten müssen deswegen von der Verwaltung der staatlichen Schlösser und Burgen genehmigt werden. Der Gemeinderat hat auch dieses von mir vorgelegte Thema positiv aufgenommen und zugestimmt. Unabhängig davon haben wir im Rathaus generell unsere Traugeschenke für die Brautpaare neu gestaltet. Bisher gab es Büchergeschenke, seit Januar geben wir 2 Sektgläser mit eingravierten Trauringen und dem Namenszug „Neuffen“ den Brautpaaren mit auf den Weg.

Von Ihrem Wahlprogramm haben Sie, wie wir im Vorfeld zu diesem Gespräch feststellen konnten, schon 90 % abgearbeitet.
Dies ist richtig und hat mir unheimlich Freude bereitet, dass ich so schnell mit meinem Rathausteam und dort, wo Beschlüsse erforderlich waren, mit dem Gemeinderat, viele Themen bereits schon umsetzen konnte. Ich stecke aber auch nach wie vor voller Ideen und werde versuchen, auch diese Zug um Zug zu realisieren. Und ich bin selbstverständlich immer dankbar, wenn auch aus der Bevölkerung Vorschläge an mich herangetragen werden.