Verehrte Anwesende, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,

der Volksbund Deutscher Kriegsgräberfürsorge kümmert sich um die deutschen Kriegstoten. So war es in der Vergangenheit und so wird es auch in der Zukunft sein. Dabei gerät jedoch manchmal aus dem Blickfeld, dass in einem Krieg nicht nur Soldaten, sondern auch Zivilisten sterben. Insbesondere die Endphase des Zweiten Weltkriegs hat ausgesprochen viele zivile Opfer auf deutscher Seite gefordert. Ein ganz erheblicher Teil dieser Menschen starb auf der Flucht oder nachdem sie gewaltsam vertrieben worden waren. Über sie wissen wir bis heute wenig.

Für diese Wissenslücke gibt es Gründe. Nach dem rassistisch motivierten Vernichtungskrieg des nationalsozialistischen Deutschlands gegen seine Nachbarn im Osten, nach der deutschen Gewaltherrschaft über Europa und millionenfacher Zwangsarbeit war das Erinnern an deutsche Opfer ein sensibles Thema. Zu oft wurden sie instrumentalisiert, um deutsche Verbrechen moralisch aufzuwiegen. Mit über 70 Jahren Abstand machen wir uns nun auf den Weg zu einer gemeinsamen europäischen Erinnerungskultur, in der sich ein angemessener Platz für die Erfahrungen aller Beteiligten eröffnet.

Wir erinnern uns also an die Millionen Kinder, Frauen und Männer, die fliehen mussten, vertrieben wurden und dabei nicht selten ihr Leben verloren. Sie alle sind Kriegsopfer und damit kommt ihnen nach dem deutschen Gräbergesetz ein dauerhaftes Ruherecht zu. Diese Tatsache verpflichtet den VdK, nicht nur für die Pflege und den Erhalt dieser Gräber zu sorgen, sondern auch an das Schicksal der Opfer zu erinnern. Aus diesem Grund lautet das Jahresthema 2016 „Flucht und Vertreibung“.

Es ist kein Zufall, dass gerade in diesem Jahr dieses Thema gewählt wurde, das aktueller nicht sein könnte. Wir alle kennen die erschreckenden Bilder aus dem Bürgerkrieg in Syrien und aus den überfüllten Flüchtlingslagern in der Türkei und in Griechenland. Der Volksbund möchte so auch das Schicksal dieser Menschen in den Blick bringen. Das Jahresthema unterstreicht den Gegenwartsbezug und macht deutlich, dass die inhaltliche Arbeit nicht in einer fernen, isolierten Vergangenheit liegt. Weil sich die Schrecken der Vergangenheit, weil Krieg und Gewaltherrschaft auch heute eine Herausforderung sind, ist es nicht nur unsere Aufgabe, sondern unsere Verpflichtung, an diese schmerzhaften Erfahrungen zu erinnern.

Dem VdK ist zu danken für seinen Dialog mit seinen Partnern und allen Interessierten, um die Erinnerung an Flucht und Vertreibung gemeinsam aktiv zu gestalten und dem öffentlichen Gedenken einen neuen Impuls zu geben. Darüber hinaus begrüße ich, dass der VdK auch in diesem Jahr konkrete Projekte fördert. So beteiligt er sich z. B. mit 50.000 € an dem Bau eines dänischen Flüchtlingsmuseums, in dem das Schicksal der rund 250 000 Flüchtlinge aus den Ostgebieten des Deutschen Reiches in Dänemark dokumentiert und den Besuchern vermittelt, unter welchen Umständen und aus welchen Gründen diese Menschen flüchten mussten.

Das Museum integriert thematisch auch die Kriegsgräber von Flüchtlingen, eine vom VdK gepflegte Kriegsgräberstätte befindet sich nur wenige Meter von dem neuen Museum. Hierin dürfen wir alle eine wichtige Aufgabe sehen, denn noch immer kennen wir nur einen kleinen Teil der Gräber dieser Zivilisten, die auf Friedhöfen über ganz Europa verteilt eine Ruhestätte gefunden haben.