„Geld verderbe den Charakter“, heißt es allgemein gültig.
Doch, lieber Albrecht, diese oft verwendete Redewendung trifft auf Dich persönlich überhaupt nicht zu. Du hast im Laufe Deiner 40 Dienstjahre hier in Neuffen an entscheidender Stelle als Stadtkämmerer in 40 Haushaltsplänen insgesamt ca. 750 Millionen € der öffentlichen Hand verwaltet und trotzdem Deinen tadellosen Charakter bewiesen und behalten.
So darf ich Dich als 23 Tage alter Pensionär und damit noch in der Probezeit mit Deiner Familie ganz herzlich begrüßen. Mein Gruß gilt aber neben der Verwaltung und dem Gemeinderat all denjenigen, die unserer Einladung für heute Abend gefolgt sind. Namentlich erwähnen darf ich meinen Amtsvorgänger und Deinen langjährigen Rathauschef Wolfgang Schmidt, unseren kürzlich in den Gemeinderatsruhestand verabschiedeten Dieter Kammerer, Deinen früheren Amtsleiterkollegen Otto Götz, Deinen ehemaligen Mitarbeiter Willy Heinickel, sowie die Vertreter der örtlichen Vereine, die es sich ebenfalls nicht nehmen lassen, Dich als ihren Vorstandskollegen gebührend zu würdigen. Nicht zu vergessen und noch mal einen Gruß an unsere Besucherinnen und Besucher der heutigen Ratssitzung. Sie alle Miteinander drücken mit Ihrer Anwesenheit Ihre Wertschätzung für Herrn Klingler aus. Hierfür danke ich Ihnen ganz besonders.
Sehr geehrter Herr Klingler, lieber Albrecht. Bei diesem Tagesordnungspunkt heute stehst ausschließlich Du im Mittelpunkt des Gemeinderates, wobei Dir diese Position nicht ganz unbekannt ist. In den letzten 40 Jahren warst Du es ja gewohnt, als Stadtkämmerer dem Gemeinderat sowohl Hiobsbotschaften, aber natürlich auch positive Meldungen zu überbringen. Doch heute sieht es hier ganz anders aus. Es heißt Abschied nehmen von Dir und Deiner geschätzten Mitarbeit. Die Stadt hat Dich in den von Dir beantragten wohlverdienten Ruhestand entlassen, der hoffentlich bei Dir zu einem Unruhestand wird.
Im August 1969 bist Du beim Bürgermeisteramt Hülben „in Ausbildung genommen worden“, wie es damals hieß. Gleichzeitig wurdest Du vom Regierungspräsidium Südwürttemberg-Hohenzollern zur Vorbereitung für den gehobenen Dienst in der Kommunalverwaltung zugelassen.
Zum Ende der Ausbildung gab es natürlich auch ein Zeugnis. Das vom Hülbener Bürgermeisteramt datiert exakt zum 24. August 1971 und ich zitiere einen Abschnitt, der mir geradezu ins Auge gesprungen ist und gar nicht zu übersehen war: „Wenn auch erwartet werden darf, dass sich im Laufe des weiteren Berufsweges seine Umgangsformen noch etwas verfeinern, so darf doch bestätigt werden, dass er in finanziellen Dingen absolut ehrlich und verlässlich war“.
Der Überlieferung nach hing der Hinweis mit den Umgangsformen damit zusammen, dass Albrecht Klingler im Rathaus Hülben einen etwas jüngeren Mit-Auszubildenden wegen ungebührlichem Verhalten mal ganz einfach so an einem Stück aus dem Fenster geworfen hatte. Aber zum Glück des Azubis war das Fenster schon geöffnet und befand sich im Erdgeschoss. Und zu dessen weiterem Glück war es im Winter und diese hatten damals noch recht viel Schnee, der vor dem Fenster in großer Menge aufgehäuft war. Das war das größte Glück des Mit-Auszubildenden. Und so war zwar der Flug bestens gelungen und die Landung auch recht sanft, hingegen brachte es Herrn Klingler den wohl eher weniger zart gemeinten Hinweis im Zeugnis ein.
Mit dem Weiterlesen im Zeugnis habe ich dann jedenfalls aufgehört. Die Karriere eines Kämmerers war Dir mit dem zweiten Halbsatz dieses Zeugnisabschnittes aber eindeutig vorgegeben. Da ich seine früheren Umgangsformen nicht kannte, kann ich auch nichts dazu sagen, ob sie sich im Vergleich zu seiner Ausbildung tatsächlich verfeinert haben. Aber zum Glück für die Auszubildenden in Neuffen saß Albrecht Klingler im hiesigen Rathaus von Anfang an im ersten Stock und Schnee gibt es bekanntermaßen ja auch nicht mehr so viel. Von auf „Hülbener“ Art das Rathaus verlassende Auszubildende ist deshalb in Neuffen nichts überliefert.
Die nächsten beiden Zeugnisse, einmal vom Landratsamt Reutlingen für seine dortige 1-jährige Ausbildungsfortsetzung, sowie zum anderen vom Bürgermeisteramt Grabenstetten, wo er nach einem weiteren Jahr am 31. August 1973 seine praktische Ausbildung beendet hatte, waren weniger spektakulär. Am 1. September 1973 jedenfalls hatte er mit dem Fachstudium an der Fachhochschule für Öffentliche Verwaltung in Stuttgart begonnen. Dieses dauerte etwas über 2 Jahre, genauer gesagt bis zum 30. November 1975.
Am 8. Dezember selbigen Jahres stieg er dann endgültig ins Berufsleben ein, und zwar beim Bürgermeisteramt in Veringenstadt im Kreis Sigmaringen. Um Beamter zu werden, bedarf es neben der Ausbildung natürlich noch einer amtsärztlichen Untersuchung. Diese fand statt beim Staatlichen Gesundheitsamt in Sigmaringen. Und auch da gibt es ein paar bemerkenswerte Einträge in dem amtsärztlichen Zeugnis, die ich in meiner nun auch schon über 40-jährigen Berufserfahrung noch nirgends gesehen habe und Ihnen, liebe Gäste, nicht vorenthalten möchte:
• So steht mit 81,5 kg ein guter Allgemeinzustand im amtsärztlichen Zeugnis. Wohlgemerkt, das war von 42 Jahren.
• Gebiss ausreichend saniert, Sprache klar und fehlerfrei.
• Der Leib wurde als weich beschrieben.
• Die Leber war nicht zu ertasten.
Was der letzte Hinweis zu bedeuten hatte, entzieht sich meiner Kenntnis und es gab auch keine weitergehenden Erläuterungen dazu. Auf jeden Fall habe ich dann, wie vorher beim Zeugnis auch, hier aufgehört weiterzulesen. Den Gesundheitscheck hatte er aber ohne Einschränkungen bestanden und so stand seiner Beamtenlaufbahn nichts mehr im Wege.
Zu uns nach Neuffen ist Albrecht Klingler am 1. Februar 1977 gekommen. Als Nachfolger vom damaligen Stadtkämmerer Bareis wurde er vom Gemeinderat am 16. November 1976 gegen einen Mitbewerber mit 9 zu 6 Stimmen mit deutlicher Mehrheit gewählt. Gott Lob hatte sich unser damaliger Gemeinderat für Herrn Klinger entschieden. Gottlob, so heißt er mit zweitem Vornamen, was ich bis zum Schreiben dieser Zeilen aber auch nicht wusste. Gott Lob ist die Wahl aber nicht wegen seinem Namen auf ihn gefallen. Sondern weil Neuffen einen Stadtkämmerer bekommen hat, der sein Geschäft von der Pike auf erlernt und sich vorher schon in Veringenstadt in der gleichen Position bewährt hatte.
Als Stadtinspektor z. A. (das ist die offizielle Abkürzung für „zur Anstellung“, von Vorgesetzten gerne aber auch „zum Anschiss“ umgedeutet) ging es los. Am 15. Juli 1978 fiel das z. A. weg, Albrecht Klingler wurde aufgrund Ratsbeschluss vom 2. Juni 1978 zum richtigen Stadtinspektor ernannt. Die erste Beförderung zum Stadtoberinspektor erfolgte am 16. Januar 1979, die nächste zum Stadtamtmann am 1. Juli 1980, zum Stadtamtsrat am 1. Januar 1985 und letztendlich die in seiner Laufbahn letztmögliche zum Stadtoberamtsrat am 1. Juni 2005. Selbstredend gingen diesen Beförderungen jeweils Gemeinderatsbeschlüsse voraus. Und nebenbei wurde er am 1. Dezember 1979 noch zum Beamten auf Lebenszeit ernannt.
Dem Berufsstand der Beamten sagt man ja nach, dass er ein ganz fauler sei. Dem ist selbstverständlich und insbesondere bei Dir nicht so. Ich kann Dir eine ungebremste Arbeitswut attestieren. Hattest Du doch noch eine Menge Resturlaub und hättest diesen bis Ende des Jahres abbauen müssen. Hast Du jedoch nicht gemacht, stattdessen die Papierstapel in Deinem Büro abgebaut. Allerdings, so viele waren das auch wieder nicht. Warst Du doch nicht wirklich dafür bekannt, über alles Mögliche und Unmögliche gleich einen Aktenvermerk zu fertigen, geschweige denn überhaupt eine Akte anzulegen. Und wenn es doch mal gar nicht zu umgehen war, dann gab es seine berühmten „Drei-Zeiler“. Einem ausgewachsenen Dobermann beizubringen, sich einen Wurstvorrat anzulegen, scheint mir leichter zu sein, als Albrecht Klingler zum großen Schreiber umzufunktionieren.
Aber viel wichtiger waren die praktischen Ergebnisse, die von ihm geliefert wurden. Und die waren tadellos. Und wenn dann im Büro doch mal ein Dokument zu suchen war, war ich selbst mit der modernsten Bürokommunikationssoftware nie so schnell wie Albrecht Klingler. Ein Griff in den Stapel, die Suche war vorbei und das Gesuchte lag wie von Zauberhänden in den selbigen des Kämmerers. Unnachahmlich und klassisch nach alter Kämmerer-Schule halt. Egal, ob es sich um ein altes Wegerecht, eine Dienstbarkeit, ein Bauvorhaben oder was auch immer handelte.
In den 40 Jahren der Zuständigkeit um das Finanz- aber auch das Bauwesen der Stadt Neuffen hat der Gemeinderat viele Projekte beschlossen, die von Albrecht Klingler umgesetzt wurden. Um es auf ein paar Schwerpunkte zu begrenzen:
• Anschaffung sämtlicher Geräte und Fahrzeuge für Feuerwehr und Bauhof.
• Neubau bzw. Erweiterung vom Feuerwehrmagazin, der Realschule, der Hauptschule, der Kindergärten Stadtkern, Auchtert und Kappishäusern, Marktscheune und die Rathaussanierung, um nur einige Hochbauprojekte zu nennen.
• In den Friedhofsbereichen die Erweiterungen der selbigen in Neuffen und Kappishäusern sowie aktuell die neuen Bestattungsformen in Neuffen.
• Von Anfang an sämtliche städtischen Hoch- und Tiefbaumaßnahmen in den Stadtsanierungsprogrammen begleitet.
• Die Baugebiete Stiegeläcker, Wasserstube-Eichberg, Auchtert I + II, Taschetwiesen, Stuttgarter Straße erschlossen.
• Als Werkleiter zuständig für den Eigenbetrieb Abwasserbeseitigung.
• Im Tiefbaubereich Ausbau der Breitensteinstraße, Nürtinger Straße, Uracher Weg, Hebelstraße, Urbanstraße, Uhlandstraße, Paulusstraße, Theoderichstraße, Bahnhofstraße und zuletzt die Jahnstraße.
• Und letztendlich ohne Einschränkungen bevollmächtigt gewesen, alle Kaufverträge der Stadt Neuffen nicht nur auszuhandeln, sondern diese auch abzuschließen.
Unser nun 23 Tage-Altkämmerer ist zum Jahresende aus dem Dienst der Stadt Neuffen ausgeschieden. Das hat nichts mit der Stadt zu tun, es ist rein altersbedingt begründet, dass man mit dem Erreichen des 65ten Lebensjahres gemeinhin in den Ruhestand zu gehen pflegt. Und deshalb hat der Gemeinderat seinem Antrag auf Versetzung in den Ruhestand zum 1. Januar 2018 zugestimmt.
Es heißt, auf der Jagd und bei einer Verabschiedung werde am meisten gelogen. Das tun wir hier nicht, lieber Albrecht, weil es dafür auch gar keinen Grund gibt. Du hast Dich mit Rat und Tat stets vorbildlich für die Stadt Neuffen eingesetzt. Seit dem 1. Januar 2011 habe ich Dich samt Deiner verfeinerten, oder auch unverfeinerten, Umgangsformen bis heute erleben dürfen. Es waren sieben schöne und erfolgreiche Jahre. Zwei Bürgermeister hast Du er- und überlebt (oder die Dich), mich hast Du nicht geschafft, was natürlich allein vom Alter her auch gar nicht zu schaffen war.
Deine Loyalität kann ich Dir ohne Einschränkungen bestätigen. Deshalb sage ich Dir sowohl im Namen des Gemeinderates, der gesamten Bürgerschaft von Neuffen aber auch ganz persönlich Dank für Deinen Dienst über 40 Jahre bei der Stadt Neuffen. Für die Zukunft wünsche ich Dir und Deiner Familie alles erdenklich Gute. Lehne Dich zurück in Deinem Ruhestand, genieße Land und Leute in Deinem Unruhestand. Neuffen wirst Du ohnehin nicht los. Du bist ja unverändert Präsident in Neuffens größtem Verein, dem Turnerbund. Als Leiter vom Orga-Team zum Eselhock bist Du auch bis mindestens 2025 vertraglich an uns gebunden. Und als Eier-Mann von der Alb wirst Du mit Deinen Eierlieferungen Deinen bisherigen Abnehmern im Rathaus ja ebenfalls erhalten bleiben, wie ich schon gehört habe.
Zum Abschluss habe ich Dir noch ein Lied geschrieben, dessen Vortrag ich aber lieber denen überlasse, die dies auch können. Es gibt da in Neuffen Zwei, die habe ich extra für Dich und uns engagiert. Bekannt als „Hannes und der Bürgermeister“ treten Lars Flammer und Andreas Rückenbaum aber heute als Gesangs-Duo auf und ich wünsche gute Unterhaltung beim eigens komponierten Abschiedssong für Albrecht Klingler. Bühne frei.