Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
meine Damen und Herren Mitglieder des Gemeinderates,
verehrte Gäste,
liebe Vertreter der Presse.

Ich darf Sie ganz herzlich begrüßen und mich dafür bedanken, dass Sie so zahlreich meiner Einladung zur heutigen Bürgerversammlung gefolgt sind. Die volle Stadthalle heute Abend bestätigt, dass auch Sie alle daran interessiert sind, wie wir in Neuffen mit der „Flüchtlingsunterbringung“, das bekanntermaßen Dauerthema der letzten Wochen und Monate, umgehen. Kein Thema beschäftigt uns derzeit mehr, als der ungebrochene Zustrom von Asylbewerbern. Von geschätzten 800.000 war mal die Rede. Dass diese Zahl schon lange der Rubrik „Romantik“ zuzuordnen und nicht mehr realistisch ist, das wissen wir alle miteinander aus den täglichen Berichterstattungen quer durch alle Medien.

Stichwort „Willkommenskultur“, die Aussage der Bundeskanzlerin „Wir schaffen das“, der ebenso ständige Hinweis unseres Landesvaters „Das Boot ist nie voll“, sind große Worte. Optimismus ist gut und auch wichtig. Aber die Realität, die nicht immer solchen hehren Worten folgt, nicht aus den Augen zu verlieren, tut genauso Not. Jedenfalls dann, wenn man nicht nur die Probleme benennen will, sondern auch Lösungen erreichen muss. In den Gemeinden und Städten muss nachhaltig für eine gute und von der Bevölkerung akzeptierte Unterbringung gesorgt werden. Nur so kann die Integration der Neuankömmlinge gelingen. Die Menschen in unserem Land erwarten, dass wir helfen, aber damit nicht gleichzeitig unser Gemeinwesen überfordern. Dazu ist der Schulterschluss über alle staatlichen Ebenen hinweg zwingend erforderlich.

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, selbstverständlich werden wir von dem Thema auch in Neuffen in aller Kürze betroffen. Das Asylverfahren an sich gliedert sich unter rechtlichen Gesichtspunkten in drei verschiedene Phasen:

• Landeserstaufnahme
• Vorläufige Unterbringung
• Anschlussunterbringung

Nach dem sogenannten „Königsteiner Schlüssel“ werden von den in Deutschland ankommenden Flüchtlingen 12,9 Prozent auf Baden-Württemberg verteilt. Für 2015 liegt die aktuelle Erwartung bei 130.000 ankommenden Menschen. Sie werden zunächst in den sogenannten Landeserstaufnahmestellen aufgenommen.

Für die „Anschlussunterbringung“, also die Flüchtlinge, die per Verfahren bereits als Asylbewerber anerkannt sind, sind die Kommunen zuständig. Sofern die Asylbewerber eigenständig keine Wohnungen finden, sind die Gemeinden und Städte verpflichtet, sie unterzubringen. Es gelten in der Regel die gleichen Voraussetzungen wie in der Unterbringung von obdachlos gewordenen Menschen. Unseren bisherigen Verpflichtungen konnten und können wir auch weiterhin in Kappishäusern nachkommen und haben auch hier in Neuffen dafür schon die Weichen gestellt. Wir sind also für diese Aufgabe gewappnet.

Hingegen ist für die vorläufige Unterbringung der Flüchtlinge, die aus den Erstaufnahmestellen auf die Stadt- und Landkreise verteilt werden, hier bei uns der Landkreis Esslingen zuständig. Und darum geht es vordergründig heute Abend, weshalb ich gemeinsam mit Ihnen, verehrte Gäste, Herrn Dezernatsleiter Eberhard vom Landratsamt sowie Herrn Amtsleiter Sigler, ebenfalls vom Landratsamt, herzlich begrüßen und willkommen heißen darf. Schön, dass Sie heute Abend meiner Einladung gefolgt sind und uns nach Ihren Vorträgen selbstverständlich auch für die Diskussion zur Verfügung stehen.

Der Landkreis hat nach dem Gesetz die Verpflichtung, die Flüchtlinge in Gemeinschaftsunterkünften oder in Wohnungen unterzubringen. Und diese Unterkünfte hat er bereitzustellen, zu verwalten und zu betreiben und auch das notwendige Personal hierfür zu stellen. Nun kämpft natürlich jeder Landkreis mit dem Problem, dass er in Ermangelung einer eigenen Gemarkung für diese „Erstaufnahmen“ nur ganz wenige Immobilien im Eigentum hat, die hierfür überhaupt geeignet wären. Insofern ist er darauf angewiesen, dass ihm seine Kommunen bei der Bewältigung dieser immensen Aufgaben helfen. Und das im Idealfall mit der Vermittlung von Gebäuden oder Grundstücken, auf denen bauliche Anlagen errichtet werden können. Damit hat die Flüchtlingsversorgung und –betreuung aber bereits schon mit dem Ankunftstag der Menschen einen unmittelbaren kommunalen und kommunalpolitischen Bezug. Dies wird in vielfältiger Weise bei vielen kommunalen Aufgabenfeldern deutlich:

• Kinderbetreuung
• Schule
• Flüchtlingsbegleitung
• Integration
• Bauleitplanung und Wohnungsbau
• Öffentliche Sicherheit und Ordnung
• Stadt als Lebenswelt der Bürger

Die Städte und Gemeinden, auch wenn primär gar nicht zuständig, sind damit der zentrale Anker in der Bewältigung dieser Aufgaben. Umso wichtiger ist, dass wir dabei von Bundes- und Landesebene anerkannt und unterstützt werden.

Nun wurde vom Bund vor 3 Wochen endlich das Gesetz zur Beschleunigung der Asylverfahren auf den Weg gebracht. Darin erklärtes Ziel von Bund und Ländern ist, die Asylverfahren gleich schon in den Aufnahmeeinrichtungen abzuschließen und die anerkannten Asylbewerber dann direkt der Anschlussunterbringung, also uns Städten und Gemeinden, zuzuführen. Damit soll die vorläufige Unterbringung mittelfristig an Bedeutung verlieren, hingegen werden die Erstaufnahmen und Anschlussunterbringung an Bedeutung gewinnen. Die von Bund und den Ländern gesteckten Ziele lauten, dass es dann letztlich nur noch zu einer Verteilung der abgelehnten Asylbewerber aus nicht-sicheren Drittstaaten in die vorläufige Unterbringung kommen soll. Der jetzt am Wochenende eingebrachte ergänzende Vorstoß, den Familiennachzug auf die Flüchtlinge, die auch ausschließlich aus den wirklichen Kriegsgebieten kommen, einzuschränken, ist ein weiterer Schritt in die richtige Richtung und aus Sicht der Kommunen nur zu unterstützen. So langsam aber sicher scheint auch bei der Bundesregierung in Berlin, zumindest bei einem immer größer werdenden Teil, die Problematik vor Ort angekommen zu sein.

Aber unabhängig von all dem ist es eine Selbstverständlichkeit für die Stadt Neuffen, dass auch wir dem Landkreis Esslingen unsere Hilfe aktiv anbieten. Der Gemeinderat hat deshalb in seiner Sitzung im September hier an dieser Stelle zu insgesamt fünf „Angeboten“ die Zustimmung erteilt, obwohl diese formal gar nicht erforderlich gewesen wäre. Private Mietverträge mit dem Landratsamt sind weder zustimmungs- noch genehmigungspflichtig, sondern ausschließlich Sache zwischen Mieter und Vermieter. Mit den trotzdem erfolgten Beschlüssen hat der Gemeinderat jedoch Solidarität zeigen wollen und auch gezeigt. Es handelte sich bei den Maßnahmen um

• Gewerbepark Dietz
• Baucontainer Stuttgarter Straße
• Neubau Reutlinger Straße hinter der Polizei
• Hofstettenstraße
• Oberer Graben

Ich hatte in der Sitzung im September hier an genau der gleichen Stelle aber auch gesagt, dass diese fünf Objekte selbstverständlich erst dann endgültig zum Tragen kommen, wenn die Mietverträge unterschrieben sind. Und es durchaus sein kann, dass ich Ihnen hier und heute Abend sagen werde, dass eben nicht alle Fünf realisiert werden. Dem ist nun auch so und realisiert werden nur Zwei.

Was Wirklichkeit wird, ist das Neubauvorhaben hinter der Polizei, also in meiner unmittelbaren Nachbarschaft. Hier geht es aber nicht um eine Sofortmaßnahme. Sondern darum, dass der Eigentümer sein früher angedachtes und baurechtlich bereits schon mal genehmigtes Vorhaben zum Bau von zwei Wohngebäuden wieder aufleben lassen und nach Fertigstellung seine Wohnungen dem Landratsamt für die Erstaufnahmen zur Verfügung stellen wird. Ziel ist hier, dass mit Fertigstellung der beiden Wohngebäude Anfang 2017 Flüchtlinge einziehen können.

Mit dem Eigentümer in der Hofstettenstraße konnte das Landratsamt nicht handelseinig werden, so dass dieses Objekt schon mal entfällt. Ebenso entfällt das Anwesen Oberen Graben 1, bei dem derzeit baurechtliche Belange gegen eine Unterbringung sprechen.

Was nun als Sofortmaßnahme auf jeden Fall kommen wird, ist die Unterbringung von knapp 100 Flüchtlingen im ehemaligen Fabrikgebäude im Gewerbepark Dietz, dem ehemaligen Betriebsgebäude der Fa. Bielomatik. Mit dieser Maßnahme sind dann aber auch die Baucontainer in der Stuttgarter Straße nicht mehr erforderlich. Zu den 100 im Gewerbepark Dietz noch die Flüchtlinge in der Reutlinger Straße neben mir hinzugerechnet, kann die Stadt Neuffen ihr jetziges Kontingent erfüllen.

Mit dem Ankommen der Flüchtlinge einhergehend haben die Erfahrungen in allen anderen Kommunen gezeigt, dass die Einbindung des Ehrenamtes und damit der Bürgerschaft die einzige und damit Lösung schlechthin ist, um den Flüchtlingen die Integration nicht nur zu erleichtern, sondern überhaupt erst zu ermöglichen. Zwar erfolgt vom Landkreis aus über die AWO die hauptamtliche Betreuung. Die AWO ist aber ebenfalls für jegliche ehrenamtliche Unterstützung angewiesen.

Deshalb hat der Gemeinderat die Bildung des „Arbeitskreises Asyl“ beschlossen, der sich in der Zwischenzeit auch schon gegründet hat. Auf meine Einladungen zum Informationsabend und anschließend zur ersten AK-Sitzung haben sich knapp 80 unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger nicht nur gemeldet, sondern zur festen Mitarbeit in den einzelnen Arbeitsgruppen eingetragen und waren bereits auch schon aktiv. Also sind wir auch da rechtzeitig zur Stelle und ebenfalls sehr gut aufgestellt. Die Federführung des Arbeitskreises liegt bei Herrn Dietmar Freudenberg aus Kappishäusern, den ich am Tisch nun ebenfalls begrüßen darf.

Ich nutze jetzt gerne die Gelegenheit, um mich hiermit bei allen Mitwirkenden im Arbeitskreis respektive der Arbeitsgruppen für ihr Wirken zu bedanken. Und ich bin stolz darauf, dass sich auch in Neuffen so viele ehrenamtliche Helfer für eine gelingende Integration der Flüchtlinge einsetzen wollen. Ich denke, das ist ein Applaus wert.

Die beiden Herren vom Landratsamt, Herr Eberhard und Herr Sigler, werden Ihnen jetzt noch ein paar allgemeine Ausführungen zur Flüchtlingssituation, aber insbesondere zur Not im Landkreis Esslingen machen. Herr Sigler wird uns zusätzlich auch über die Arbeitsweise der AWO informieren. Und Herr Freudenberg wird über die bisherige Arbeit des AK berichten. Die bis jetzt noch nicht begrüßten beiden Herren hier vorne am Tisch sind selbstredend keine Statisten, sondern meine beiden Amtsleiter in der Verwaltung und den allermeisten von Ihnen ja persönlich bekannt. In den Aufgabenbereich der Amtsleitung von Herrn Klingler fällt unser heutiges Thema, er ist damit im Rathaus der erste Ansprechpartner. Herr Stuhlmüller ist unser Hauptamts-, Ordnungsamts- und Bauamtsleiter und damit, wie übrigens nahezu alle im Rathaus, sowohl mittel- als auch unmittelbar in verschiedenster Art und Weise mit der Materie befasst.

Ich freue mich schon auf eine rege Diskussion, wenn Sie Ihre Fragen an uns stellen. Bei aller Betroffenheit, die bei dem Einen oder Anderen unter Ihnen z. B. als Nachbar einer Unterbringung ganz gewiss vorhanden ist, möchte ich aber dennoch bereits jetzt schon um eine sachliche Argumentation bitten. Ich denke, das sind wir Allen schuldig. Denen, die bereit sind, ihre Immobilie bereitzustellen, dem Landratsamt, das als Mieter aktiv sein muss, aber insbesondere den Flüchtlingen, die am dringlichsten auf alle nur möglichen Plätze angewiesen sind. Haben Sie dafür bereits jetzt schon meinen und unseren herzlichen Dank.