Liebe Frau Rektorin Maier,
liebes Kollegium der Grundschule Neuffen,
liebe Schülerinnen und Schüler,
meine sehr geehrten Elternvertreter,
meine Damen und Herren Mitglieder des Gemeinderates,
liebe Vertreter der Presse,
verehrte Festgäste,
eine Hundertjährige hat ein erlebnisreiches und vielfältiges Leben hinter sich. Und wenn man als Mensch (meistens schaffen das, von Johannes Heesters mal abgesehen, nur die Frauen) tatsächlich so alt wird, dann neigt sich der Lebenszyklus definitiv und absehbar dem Ende zu. Bei Schulen in diesem Alter hingegen ist das völlig anders. Sie werden eigentlich überhaupt nicht alt, sondern nur erfahrungsreicher und bestenfalls altehrwürdig. Jung bleiben sie immer, denn die dort lernen und arbeiten sind immer aufs Neue junge Menschen, die mit ihren Wünschen, Träumen und Ideen eine ständige Frischzellenkur bewirken. Das ist ein ganz besonders glücklicher Zustand, den man in nicht allzu vielen Lebensbereichen antrifft.
v Was die Schule ausmacht, ist auch nicht zuerst das Gebäude, wenngleich diese Hülle nicht völlig bedeutungslos ist. Als Schulträger wird uns dies in immerwährenden Gesprächen über den Bauzustand der Schule jedenfalls lebendig vermittelt. Es ist also schon wichtig, in was für Räumen man lernt und unterrichtet. Form und Inhalt sollten schlichtweg zueinander passen. Und ich denke, die ist hier der Fall. Sie, liebes Lehrerkollegium, kennen aus der täglichen Nutzung das Haus und seine Stärken und Schwächen besser als ich. Insgesamt scheinen die Stärken jedoch größer als die Schwächen zu sein, wenngleich es einen ständigen Prozess der Veränderungen und Verbesserungen gibt.
Es gibt wenige Lebensphasen, die einen Menschen so prägen und seinen weiteren Lebensweg bestimmen, wie es die Schule ist. Klassentreffen, die noch Jahrzehnte später stattfinden, zeigen, welche Wertschätzung die Schülerinnen und Schüler dieser Lebensphase einräumen und welchen Stellenwert diese Lebenszeit hat. Um die Schule dreht sich auch nach der Schule vieles und Schulen bestimmen in vielfältiger Hinsicht das gemeindliche Leben.
Liebe Gäste, jetzt kommt der interaktive Teil meiner Rede. Sie können das Thema gerne variieren. Entweder „Erinnerungen eines ehemaligen Schülers“ oder „Wie Lehrer wirklich sind“. Und wie sind sie denn nun wirklich so, die Lehrer?
Unlängst habe ich einen Zeitungsartikel mit der Überschrift „Wie Lehrer wirklich sind“ gelesen. Thematisiert und mit wissenschaftlichen Untersuchungen belegt bzw. widerlegt wurden die prominentesten Vorurteile. Hier nur einige davon:
• Lehrer wählen den Beruf, weil viel Freizeit und lange Ferien locken: Die Wahrheit ist, wer Lehrer wird, beschäftigt sich gerne mit Kindern und Jugendlichen und möchte das Fach, das ihn am meisten interessiert, unterrichten. Auch das Bewusstsein, einen gesellschaftlichen Beitrag zu leisten, gehört zu den Hauptmotiven bei der Entscheidung für den Lehrerberuf. Dagegen fallen der Wunsch nach langen Ferien, dem Beamtenstatus, dem Gehalt oder einem geringen Schwierigkeitsgrad des Lehramtsstudiums kaum ins Gewicht.
• Die mittelmäßigen Abiturienten werden Lehrer: Da könnte etwas dran sein. Jedenfalls belegen Studien, dass die Durschnitts-Abi-Note angehender Lehrer etwas schlechter als der Durchschnitt ist. Umstritten und unbewiesen ist und bleibt aber die Frage, ob die Abi-Note etwas über die Qualität der Berufsausübung sagt. Das kann und sollte den Lehrern wiederum aber auch etwas über die nicht absolute Bedeutung ihrer eigenen Notengebungen ihren Schülerinnen und Schülern gegenüber sagen.
• Nach dem Studium erwartet die jungen Lehrer ein Praxisschock: Stimmt nicht, kaum ein anderer Beruf hat eine so lange, bereits mit der Grundschulzeit schon beginnende Einstiegsphase, wie der Lehrerberuf.
• Lehrer sind besonders faul: Dafür gibt es keine Belege. Ganz im Gegenteil weisen Studien nach, dass Beschäftige in anderen Berufen wesentlich fauler sind. Untersuchungen zur Lehrergesundheit belegen, dass 23 % der Lehrerschaft dem sogenannten „Schontyp“ zuzuordnen sind. Nicht alle Schontypen sind allerdings per se Arbeitsverweigerer. Diese Lehrer begeben sich lediglich in eine Art Schutzhaltung, um sich vor emotionaler Überforderung abzugrenzen und von bestimmten Anforderungen zu distanzieren.
• Zu guter Letzt das Eigenvorurteil der Lehrerschaft, dass ihre Arbeit von der Gesellschaft kaum geachtet und anerkannt wird: Tatsache ist, dass 33 % der Deutschen vor Grundschullehrern besonders viel Achtung haben und diesen Beruf schätzen. Davor kommen nur noch Ärzte, Pfarrer und Hochschullehrer. Viel schlechter hingegen schneiden Journalisten, Offiziere, Gewerkschaftsführer und, Sie wissen es, der beliebteste Prügelknabe der Nation, der Politiker nämlich, ab.
Sind Sie also zufrieden, liebes Kollegium der Grundschule Neuffen, das Fremdbild über Ihren Berufsstand ist sehr viel besser als das Selbstbild. Sie dürfen gelassen bleiben.
Und damit lasse ich es jetzt mit meinem Grußwort bewenden und wünsche uns allen einen schönen Nachmittag mit guten Gesprächen, für die gute Verpflegung ist auf jeden Fall schon mal bestens gesorgt. Für die nächsten 100 Jahre wünsche ich dem Schulgebäude auch weiterhin einen guten Zustand und einen konstruktiven Inhalt, das nächste 100-jährige Jubiläum dürfen dann alle unsere Nachfolger feiern.